Insgesamt etwa zwölf Jahre war Carole Reckinger bei der Caritas. Dann verlor sie in der Folge des 61-Millionen-Euro-Finanzskandals ihre Arbeit. HUT, die Nachfolgeorganisation des Hilfswerks, wollte das politische Dossier, das Reckinger verantwortete, nicht weiterführen. Als sie zum ersten Mal von dem Millionenbetrug gehört hat, sei ihr „erstmal der Teppich unter den Füßen weggezogen worden“, sagt sie. „Freitags kam das raus, montags hatten wir eine Versammlung mit dem ganzen Personal, als der Verwaltungsrat und diejenigen aus der Direktion, die noch da waren, uns sagten, was passiert war.“ Zwei Tage später wurde das Krisenkomitee eingesetzt, das klären sollte, wie es mit der Caritas weitergehen kann und wie die Aktivitäten fortgesetzt werden können. „Für die Mitarbeiter war nicht klar, wie es dazu gekommen ist. Wir haben einfach die Informationen in einer Mail bekommen“, sagt Reckinger.Es ist nicht leicht, einen Eindruck vom Innenleben der Caritas in den Monaten vor der Abwicklung zu erhalten. Mitarbeiter sagen, dass sie in der neuen Organisation HUT eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben mussten. Viele wollen sich daher nur unter Wahrung der Anonymität äußern. Schon in den Tagen vor dem Freitag im Juli, als der Skandal öffentlich wurde, machte sich in der Caritas Unruhe breit, erklärt ein ehemaliger Mitarbeiter. „Ab dem Dienstag ging die Police judiciaire ein und aus, ohne dass wir wussten, was los ist“, sagt er. Das einzige Mal, dass dann darüber kommuniziert wurde, sei bei der Versammlung am Montag darauf gewesen. „Die Direktion hat sich da vor allem als Opfer dargestellt. Dabei wurden grausame Fehler gemacht.“ Nachdem das Krisenkomitee eingesetzt worden war, seien Mitglieder der Direktion von „einem Tag auf den anderen“ in den Krankenstand gegangen, sagen mehrere Beschäftigte. „Danach hat keiner sie mehr gesehen“, so einer der Mitarbeiter, der lieber anonym bleiben will. „Dann kam PwC mit einer ganzen Truppe von forensischen Buchhaltern und einer Gruppe, die versucht hat, Struktur in die Finanzen zu bringen, und zu schauen, was noch zu retten ist.“ Dabei sei den Mitarbeitern nicht ganz klar gewesen, worin genau das Mandat von PwC bestanden habe. „Sollen sie versuchen, die Caritas zu retten oder nur dafür zu sorgen, dass alles sauber zugemacht wird?“, so der Mitarbeiter. „Die soziale Arbeit war am Anfang sekundär. Zunächst ging es vor allem darum, die neue Struktur ins Laufen zu bekommen.“ Carole Reckinger verlor ihren Job bei der Caritas infolge des Finanzskandals. Sie kritisiert den Umgang mit den Mitarbeitern in der Krise. Foto: Chris Karaba„Die Entscheidung, die Caritas abzuwickeln, war meiner Meinung nach getroffen worden, bevor das Krisenkomitee eingesetzt worden ist. Alles andere ergibt keinen Sinn“, mutmaßt ein ehemaliger leitender Mitarbeiter der Caritas, der aber auch nicht namentlich genannt werden will. Belege für die Annahme hat er allerdings nicht.Die s